Für mehr Gerechtigkeit zu sorgen darf man von „der Politik“ erwarten.
Die Politiker selbst werden hingegen in seltenen Fällen gerecht behandelt.
Fairness ist kein Kriterium für die Wähler; sie entscheiden egoistisch.
Politiker, die für das Gute viel riskieren, sich mit Leib und Leben für etwas einsetzen, werden selten belohnt.
(….) Vollmer und Schröder sind so gesehen auch GROßE Politiker, weil sie wie Sadat, Rabin und Gorbatschow nicht stromlinienförmig-amöbig durch die politische Landschaft mäanderten, sondern große Schritte dahin unternahmen, wo es wehtut.
Meister dieses Fachs sind aber auch Hans-Jürgen Wischnewski und Egon Bahr, die in tatsächlich feindlicher Umgebung agierten und Überzeugungsarbeit leisteten.
Für so eine Rückgrat-Politik braucht es charismatische Persönlichkeiten, die einerseits eine führende Rolle übernehmen können und andere mitreißen, andererseits aber auch ein tiefes Gespür für den Gegner haben und diesen nicht verprellen. Mediokren Polit-Flaschen wie John Major, José María Aznar oder Angela Merkel kann eben nie etwas Bahnbrechendes gelingen, wie die von Nelson Mandela oder Zoran Đinđić oder Jitzchak Rabin eingeleiteten Friedensprozesse.
Kursichtige und risikolose Politik à la Merkel erspart dafür in der Regel einige Gefahr für Leib und Leben.
42 mal wurde ein Attentat auf Hitler versucht - keins klappte.
Attentate treffen ja ohnehin immer die Falschen - erstaunlich oft sind es doch eher „die Guten“, die fanatische Hasser wegballern, wohingegen die schlimmsten Diktatoren oft Jahrzehnte hindurch ungehindert ihr Unheil anrichten können.
Was wäre denn gewesen, wenn es 1968 nicht Bobby Kennedy erwischt hätte und dieser statt Nixon Präsident geworden wäre?
Wie könnte es zwischen Israelis und Palästinensern stehen, wenn nicht ein rechtsextremer Widerling am 4.11.1995 Jitzchak Rabin erschossen hätte und dementsprechend auch Sharon nicht provozierend auf den Tempelberg (2000) gestapft wäre?
Man möchte noch 13 Jahre später in Tränen ausbrechen. Ja, es erwischt eher die Hoffnungsträger und die Lücken sind nicht zu füllen - was uns der "liebe Gott" wohl damit sagen will???
Attentate treffen ja ohnehin immer die Falschen - erstaunlich oft sind es doch eher „die Guten“, die fanatische Hasser wegballern, wohingegen die schlimmsten Diktatoren oft Jahrzehnte hindurch ungehindert ihr Unheil anrichten können.
Was wäre denn gewesen, wenn es 1968 nicht Bobby Kennedy erwischt hätte und dieser statt Nixon Präsident geworden wäre?
Wie könnte es zwischen Israelis und Palästinensern stehen, wenn nicht ein rechtsextremer Widerling am 4.11.1995 Jitzchak Rabin erschossen hätte und dementsprechend auch Sharon nicht provozierend auf den Tempelberg (2000) gestapft wäre?
Man möchte noch 13 Jahre später in Tränen ausbrechen. Ja, es erwischt eher die Hoffnungsträger und die Lücken sind nicht zu füllen - was uns der "liebe Gott" wohl damit sagen will???
Zoran Đinđić am 12.03.2003, die potentielle EU-Kommissionspräsidentin Ylva Anna Maria Lindh am 11.September 2003, Sven Olof Joachim Palme am 28.02.1986, Muhammad Anwar as-Sadat am 06.10.1981, Indira Gandhi 31.10.84, Muhammad Baqir al-Hakim am 29.08.2003 oder auch Benazir Bhutto am 27.12.07.
Charismatische, große Politiker sind auch in der Lage in persönlichen Gesprächen viel zu erreichen. (…..)
Helmut Kohl hatte Deutschland mit seiner Aussitzerei zum weltweit verspotteten „kranken Mann Europas“ heruntergewirtschaftet. Außenpolitisch reihte er Blamage an Blamage, indem er Ronald Reagan auf den SS-Friedhof Bitburg schleppte, dem Tenno auf die Schulter schlug, die Oder-Neiße-Linie nicht anerkennen wollte und auch noch zu allem Übel Gorbatschow mit Goebbels verglich.
Eben jener Gorbatschow machte Kohl das große Geschenk der deutschen Einheit, für die Kohl rein gar nichts getan hatte, aber in ihrer Folge die Lorbeeren abgriff, indem er mehrfach wiedergewählt wurde.
US-Republikaner hatten mehrfach ein großes ökonomisches Desaster angerichtet und nach ihrer Präsidentschaft ein gewaltiges Defizit hinterlassen. Die Demokraten Bill Clinton und Barack Obama mußten mühsam das hinterlassene Chaos ordnen und brachten die Wirtschaft wieder in Schwung.
Gedankt wurde es ihnen nicht; im Gegenteil, die Wähler schickten deren größte Widersacher als Nachfolger ins Weiße Haus.
Gerd Schröder erging es ähnlich. Die totale Verkrustung, die in der Kohl-Merkel-Regierung eingetreten war, hatte zu einer totalen Überregulierung, Rekordsteuersätzen und Rekordarbeitslosigkeit geführt.
Der Kraftakt das Schiff wieder flott zu bekommen, kostete Schröder den Job und seine Partei fast das Leben.
Als Dank schickten die Deutschen Merkel, die mit Kohl den Schlamassel angerichtet hatte ins Kanzleramt.
Als die Hartz-Reformen wirkten, strich Merkel die guten Wirtschaftsdaten als politisches Kapital ein.
Merkel gibt inzwischen sogar unumwunden zu Profiteurin Schröders zu sein.
[…..] Die […..] Beschlüsse des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder seien gut für das Land gewesen, sagte Merkel am Samstag auf einer CDU-Veranstaltung in Stralsund. „Deshalb habe ich schon zum Amtsantritt vor elf Jahren öffentlich gesagt, dass sich der frühere Bundeskanzler Schröder mit der Agenda 2010 um Deutschland verdient gemacht hat.“
Seit 2005 hätten die von ihr geführten Koalitionsregierungen Veränderungen vorgenommen, wenn sich negative Entwicklungen wie bei der Werk- und Leiharbeit gezeigt hätten. Zudem sei das Arbeitslosengeld nach Alter differenziert worden. „Aber den Kern dieser Agenda, den haben wir immer durch unsere politischen Entscheidungen gestärkt“, sagte Merkel. Denn es seien mehr Menschen in Arbeit gebracht worden, die Zahl der Arbeitslosen habe sich seit 2005 halbiert. [….]
(FAZ, 25.02.2017)
Die Hartz-Reformen haben zweifellos zu mehr Arbeitsplätzen und einer gesünderen Wirtschaftgeführt.
Dabei gab es aber zweifellos auch Ungerechtigkeiten. Das ist bei so einem Mammut-Werk gar nicht anders möglichund Gerd Schröder selbst betonnte immer wieder, die Hartz-Gesetze sollten nicht in Stein gemeißelt, sondern immer wieder angepasst werden.
Der politische Preis für die Reformen war definitiv ungerecht.
Die glühenden Agenda-2010-Befürworter aus CDU und Grünen stiegen nach 2003 in ungeahnte Höhen und allein die SPD wurde vom Wähler grausam abgestraft.
Eine besonders begeisterte Unterstützerin der Hartz-IV-Reformen ist Kathrin Göring-Eckhardt, die dafür nie einen politischen Preis zahlte und 2017 erneut Spitzenkandidatin ihrer Partei ist.
Sie macht sich einen schlanken Fuß, indem sie einfach zum Thema schweigt und unterdessen kontinuierlich an die von ihr verehrte Angela Merkel heranrobbt.
Ebenfalls einen schlanken Fuß macht sich Sahra Wagenknecht, die Hartz-IV empört ablehnt, deren Partei mit der grundsätzlichen Forderung nach Abschaffung der Agenda 2010 in zweistellige demoskopische Höhen stieg, ohne je zu sagen, was eigentlich stattdessen kommen soll.
Soll es wieder das Ämterhopping zwischen Wohnungsamt, Sozialamt und Arbeitsamt eingeführt werden und soziale Leistungen als Sachleistungen einzeln beantragt werden?
Die Linke erinnert ein wenig an die US-Republikaner, die sechs Jahre lang wie besessen auf Obamacare eindroschen und nun plötzlich ganz nackt dastehen.
Sie haben wieder die Macht und es stellt sich raus, daß sie nie ein alternatives Konzept ausgearbeitet hatte, Dagegen sein reichte.
Besonders populär ist offenbar die Forderung nach der ALG-I-Verlängerung. Damit punktet Martin Schulz gegenwärtig.
Gegenwärtig erhalten Arbeitslose unter 50 Jahren maximal ein Jahr lang ALG I, ältere Erwerbslose maximal 24 Monate.
Meine Meinung dazu ist ein klares Sowohl-als-auch; das Thema ist ein moralisches Dilemma:
Für die Verlängerung spricht, daß es ungerecht ist, wenn einer Jahrzehnte lang fleißig arbeite und in die Arbeitslosenversicherung einzahlte, bei einem Jobverlust nach kurzer Zeit so wenig Geld bekommt, wie ein Faulpelz, der nie arbeitete.
Aber der ältere Arbeitslose hatte es vielleicht auch viel leichter als der Jüngere, der so einen Job gar nicht mehr bekommen kann. Der Junge würde vielleicht gern arbeiten.
Aus Sicht des Staates wird bei längerem ALG-I zwei Menschen, die exakt das Gleiche tun – nämlich nichts – sehr unterschiedlich viel bezahlt. Der eine bekommt nur Grundsicherung und der andere vielleicht das Zehnfache.
Wie ist das aus Sicht des Steuerzahlers zu rechtfertigen?
Die Grünen sagen nichts zu dem Dilemma, oder vertreten die letztere Auffassung; die Linken stehen für die erstere Variante.
Beide wurden nach dem SPD-Sturz in tiefste demoskopische Abgründe aber in zweistellige Umfragehöhen promoviert.
Auch das ist ungerecht.
Mit ist die Grünen-Spitze mit ihrer klaren CDU-CSU-Präferenzgenauso unsympathisch wie Wagenknecht mit ihren fortwährenden xenophoben Andeutungen. Immer wieder verdammt sie Merkel dafür, „unkontrollierten Flüchtlingszustrom“ zugelassen zu haben, trifft sich demonstrativ mit Frauke Petry. Göring-Kirchentag trifft sich unterdessen immer wieder mit Merkel während sie grundsätzlich die Linke für regierungsunfähig erklärt.
Lasse ich Wahltaktik und Realpolitik mal für einen Moment beiseite und gebe mich schmollend meinen verletzten SPD-Gefühlen hin, finde ich es recht entspannend zu sehen, daß die beiden Kleinen auch mal was auf den Deckel bekommen, sich gegenseitig angiften, während es für sie Sozis gut aussieht.
Schon lustig wie bösartig Wagenknecht im aktuellen SPIEGEL-Interview ist:
SPIEGEL:Halten Sie ein Linksbündnis mit den Grünen überhaupt für machbar? Die Partei hat zwei Spitzenkandidaten, die eher für Schwarz-Grün stehen, Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt.
Wagenknecht:Das ist tatsächlich ein Problem. Aber die Grünen ähneln nicht nur inhaltlich immer mehr der FDP. Ich denke, ihr Spitzenpersonal ist auch ähnlich flexibel, wenn Ministerämter winken.
SPIEGEL:Frau Göring-Eckardt kann sich nicht vorstellen, mit Ihnen am Kabinettstisch zu sitzen. Wie soll das funktionieren?
Wagenknecht:In einer Koalition entscheidet jede Partei für sich, wen sie ins Kabinett schickt. Dass die grünen Spitzenkandidaten ein Kabinett mit Merkel und Seehofer bevorzugen, sollten ihre Wähler bei der Stimmabgabe natürlich berücksichtigen.
(DER SPIEGEL, Heft 9/17, 25.02.2017, s.23)