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Wie lange noch, de Maizière?

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Prof Dr. Herta Däubler-Gmelin, hoch anerkannte Top-Juristin und ehemalige Bundesjustizministerin fiel aus allen Wolken, als sie das groteske Kurnaz-Gutachten eines gewissen Hans-Georg Maaßen las.

 [Maaßen] lieferte dem Innenministerium 2002 ein Rechtsgutachten, mit dem begründet wurde, weshalb Murat Kurnaz im Falle einer Freilassung aus Guantánamo nicht mehr ohne Weiteres nach Deutschland einreisen dürfe.
Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) – selbst Honorarprofessorin der FU – bezeichnet das Rechtsgutachten als „falsch, empörend und unmenschlich“. Ulrich Battis, Rechtsprofessor an der Humboldt-Universität, hält das Gutachten für zweifelhaft und politisch „völlig daneben“.

Der Verfassungsschutzchef litt nicht etwa unter einem Blackout, als er seine Kurnaz-Bewertung abgab, sondern fiel immer wieder mit grotesken Ansichten und Entscheidungen auf.
Stichwort Journalisten-Verfolgung.

Eben dieser Maaßen, der sich selbst im konservativen Bundesinnenministerium unmöglich gemacht hatte, wurde 2012 von der juristischen Superblitzbirne; dem damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich („Sicherheit ist das Supergrundrecht“) zum Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) ernannt.
Dort machte er sich sofort Freunde, indem er Edward Snowden als „Verräter“ bezeichnete, der aus Sicht des Verfassungsschutzes als Verbrecher behandelt werden müsse.

Auch zu den amerikanischen Diensten hat Maaßen klare Ansichten. Diese hielten sich an deutsches Recht und betrieben hier keine Wirtschaftsspionage.

Maaßens skandalöses Vorgehen gegen Netzpolitik.orgsetze ich an dieser Stelle als bekannt voraus.
(…….)
Ich habe eigentlich nichts gegen Menschen mit kuriosen Ansichten.
Natürlich ist es dennoch irgendwie ein wenig unglücklich, wenn so einer BfV-Präsident wird und so gar nicht begreift was eigentlich sein Job ist.

[….] Das eigentliche Problem der Landesverrats-Affäre ist der Verfassungsschutz. Ein Verfassungsschutz, der Strafanzeigen gegen Journalisten verschickt, um sich selbst zu schützen, ist ein problematischer Verfassungsschutz. Die Bundesoberbehörde, die dem Bundesinnenministerium zugeordnet ist und Verfassungsschutz heißt, hat offenbar ein eigenes, ein eigenartiges Verständnis von der Verfassung.
Unter "Verfassung" versteht dieser Apparat nicht die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger; und unter "Verfassungsschutz" versteht er nicht den Schutz eines Verfassungsstaates, der für die Menschen da ist. Der Verfassungsschutz versteht unter Verfassung offenbar den eigenen Zustand, also die Verfassung seines eigenen Apparates - die er, wenn er sich etwa durch Publikationen gestört sieht, mit den Mitteln des Strafrechts schützen will.
Das ist ein gefährliches Missverständnis. Ein Verfassungsschutz ist nicht für sich selbst da, so wenig wie der Staat für sich selbst da ist; der Staat besteht wegen und aus der Freiheit seiner Menschen; aber dieses freiheitliche Denken hat in der Behörde namens Verfassungsschutz leider kein Zuhause. Das ist ein Fehler; das ist die Tragik dieser Behörde.[….]
 (Heribert Prantl, SZ, 03.08.2015)

(……)
Klar. Ich freue mich, daß Maaßen und de Maizière mit ihrer miesen Masche offensichtlich scheitern.
Aber daß Verfassungsschutzminister und Verfassungsschutz-Präsident so dumm und plump agieren, kann einen  nicht wirklich erfreuen.
Kein Wunder, daß die nicht mit echten Problemen fertig werden.

Die Ermittlungen gegen Netzpolitik.org haben große Empörung und ebenso große Hilfsbereitschaft ausgelöst. In wenigen Tagen erhielt das Blog so viele Geldspenden wie sonst in mehreren Monaten.
Nicht nur das Schlagwort #Landesverrat wurde in den vergangenen Tagen ein Trend bei Twitter, sondern auch die Kontonummer des Blogs Netzpolitik.org. Das zeigt sich jetzt auch auf dessen Konto: Seit Bekanntwerden der Ermittlungen wegen angeblichen Landesverrats gegen Netzpolitik.org hat das Internetportal 50.000 Euro an Spenden erhalten.
"Damit sind wir jetzt schon einigermaßen abgesichert, auch, um den Rechtsweg beschreiten zu können", sagte der Gründer und Chefredakteur von Netzpolitik.org, Markus Beckedahl der "Berliner Zeitung". Im ganzen letzten Jahr habe die Plattform knapp 180.000 Euro an Spenden eingenommen. [….]

Maaßen nächster Skandal war sein Umgang mit der sogenannten Selektorenliste, die zeigt wie die deutschen Dienste für die Amerikaner das eigene Land ausspionierten.
Auch hier zeigte sich wie bei Snowden, wie bei der Handyabhör-Affäre, wie bei Erdogan, wie bei TTIP, daß Merkel über keinerlei Rückgrat verfügt. Devot legte sie sich den Amerikanern zu Füßen und verfügte zum Schaden Deutschlands, daß kein Journalist und kein Parlamentarier die Liste einsehen dürfe.

Nur Graulich und das Kanzleramt wissen also WAS Amerika eigentlich gesucht hat.
Die Öffentlichkeit weiß nur, daß es sich wohl um 40.000 Suchbegriffe handelt.

"Eigentlich müsste sich der Generalbundesanwalt die Selektorenliste holen und ermitteln", sagte[der Linken-Abgeordnete André] Hahn, der dem für die Geheimdienstkontrolle zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) vorsitzt.
(AFP, 03.11.2015)

Kurt Graulich, 66, SPD-Mitglied, stammt aus Offenbach, wurde 1999 zum Richter am Bundesverwaltungsgericht ernannt, ist seit einem Jahr im Ruhestand.
Der fromme Mann ist engagierter Zen-Buddhist und übersetzte das Diamant-Sutra ins Deutsche.

Dem Mann traute man also eine gewisse Unabhängigkeit zu. Schließlich ist der Dalai Lama extrem beliebt und wird nicht als „Ratzinger auf Buddhistisch“ angesehen.
Graulichs Bericht liegt nun vor.
Der Topjurist steckt entweder mit dem Kanzleramt unter einer Decke, oder er ist ein extrem schlampiger Jurist – daß er in seinem Gutachten einfach bei Maaßen abgeschrieben hat, läßt keinen anderen Schluß zu.
Willkommen in Schilda. Aber das ist nur eine Meldung, die angesichts der vielen anderen Megathemen gar nicht auffällt, in der Tagesschau gar nicht vorkommt.
Der Urnenpöbel schläft ruhig und vertraut weiter seiner Regierung.

[….] Der NSA-Beauftragte Kurt Graulich hat in seinem Gutachten für den Untersuchungsausschuss wohl vom Bundesnachrichtendienst abgeschrieben. Das geht aus Geheimdokumenten hervor.
[….]  Graulich hat seinen Bericht im Auftrag des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags erarbeitet. Bezahlt und bestellt aber wurde er von der Bundesregierung. Für die Opposition ein zweifelhaftes Konstrukt. Die Zweifel scheinen sich zu bewahrheiten.
Geheime Dokumente, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, legen die Vermutung nahe, dass Graulich in seinem 262 Seiten langen Abschlussbericht wichtige rechtliche Einschätzungen ohne Quellenangabe aus einem vertraulichen, vier Seiten langen Kurzgutachten des Bundesnachrichtendienstes abgeschrieben hat. In diesem Gutachten geht es um zwei Rechtsfragen, die für den Bundesnachrichtendienst (BND) von großer Bedeutung sind.
Die Position des Bundesnachrichtendienstes gilt unter Juristen als überholt
[….]  Eigene Worte aber findet er dafür offenbar kaum: Stattdessen bediente er sich offenkundig auf den Seiten 62 bis 64 in weiten Teilen aus dem besagten BND-Kurzgutachten vom August 2013.
In dem als Verschlusssache eingestuften Bericht, welcher der SZ vorliegt, befinden sich Dutzende Aussagen, die wortgleich auch in dem BND-Papier zu finden sind. Die Seite 90 aus dem Bericht stammt augenscheinlich vollständig aus dem BND-Kurzgutachten, einschließlich der einmalig verwendeten Abkürzung "vergl." für "vergleiche". [….] Die Opposition ist empört. "Wir sehen unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt", sagte der Grünen-Obmann im NSA-Ausschuss, Konstantin von Notz. Graulich habe der Bundesregierung geholfen, "den BND von jeglicher Verantwortung reinzuwaschen". Die Vertrauensperson habe "Vertrauen in BND und Bundesregierung zerstört".

Jetzt schlug Maaßen erneut zu und beschuldigte Edward ein russischer Agent zu sein.
Dafür habe er Belege, sagte der oberste Verfassungsschützer im NSA-Ausschuß, um dann auf Nachfrage zugeben zu müssen, daß er dafür doch keine Belege habe.

Der New Yorker Journalist Jeremy Scahill („Blackwater: Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt“, „Dirty Wars: The World Is a Battlefield“) erklärte kürzlich noch einmal die wahren Hintergründe.
Snowden wollte nach Südamerika, aber am Flughafen kassierten die Behörden seinen US-Pass ein. Die USA zwangen ihn also nach Russland zu gehen. Bekanntlich würde Snowden dort auch lieber heute als morgen abreisen, aber die europäischen Staaten, Deutschland voran, haben allesamt die Hosen voll ob des Drucks aus Washington und wollen Snowden nicht einreisen lassen.

Wie sich der oberste Verfassungsschützer im NSA-Ausschuss blamiert
 [….] "Edward Snowden wird weltweit als selbstloser Whistleblower dargestellt", sagt Maaßen. Aus seiner Sicht aber gebe es eine "hohe Plausibilität" für etwas ganz anderes: Dass Snowden ein Agent russischer Geheimdienste sei. Schließlich hätten seine Enthüllungen den USA extrem geschadet. Und noch schlimmer: Sie hätten einen Keil zwischen Europa und die USA getrieben - "den größten seit dem Zweiten Weltkrieg".
[….] "Haben Sie irgendwelche Tatsachen, auf die Sie das stützen können?", fragt schließlich der SPD-Abgeordnete Christian Flisek. Und Maaßen bejaht das. Die "Tatsachen" habe er bereits genannt.
[….] Flisek bittet ihn, diese noch einmal zu wiederholen. Doch Maaßen weigert sich. Er verlangt eine Pause und bekommt sie - 15 Minuten. Der Geheimdienstchef nimmt einen Kaffee, einen Schokoriegel. [….]
Als die Pause vorbei ist, muss der Geheimdienstchef seine "Tatsachen" noch einmal vorbringen. Er sagt: "Wir haben die Tatsache, dass er in Russland ist."[….]
Weder die US-Regierung noch der Geheimdienst NSA haben die Version vom russischen Agenten bis heute bestätigt. Dabei wäre genau dieser Schritt plausibel gewesen, um den Skandal nach den Snowden-Veröffentlichungen abzuschwächen.
[….] Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele fragt schließlich: "Sehen Sie sich nicht selbst an der Spitze einer Desinformationskampagne, die das Bundesamt für Verfassungsschutz betreibt?" [….]

Verschwörungstheoretiker würden sich jetzt fragen, was Maaßen wohl gegen de Maizière in der Hand hat, daß er immer noch nicht von ihm entlassen wurde.
Das Maaß ist übervoll.


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